Mit der Quantensensorik können Größen wie magnetische oder elektrische Felder, Druck sowie Temperatur auf kleinster Ebene gemessen werden. Die Detektion dieser Größen kann an Molekülen und Atomen erfolgen, aber auch in nanoelektronischen Strukturen zum Einsatz kommen. So können neue Technologien für Anwendungen in der Elektronik, Kommunikation, Datenverarbeitung und Biomedizin entwickelt werden. Ein europäisches Forschungskonsortium hat sich zum Ziel gesetzt, die Empfindlichkeit der Quantensensorik signifikant zu steigern und damit neue Anwendungen auf den Weg zu bringen. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF stellt dafür Schlüsselmaterialien wie Stickstoff-dotierten Diamant als Basis für quantentechnologische Bauelemente her.
In dem Forschungsprojekt »AsteriQs« haben sich 22 Projektpartner aus acht EU-Ländern zusammengeschlossen, um eine leistungsfähige Quantensensorik zu entwickeln. Die Technologien sollen beispielsweise in Strom-Sensoren zur Charakterisierung von neuronalen Netzen, aber auch für Batterie-Lade- und Entladevorgänge ebenso wie in magnetfeldbasierten Navigationschips zum Einsatz kommen. So sollen neurologische Erkrankungen zukünftig schneller diagnostiziert werden und langlebige Batterien die Elektromobilität voranbringen. Ein Magnetometrie-basiertes Navigationssystem würde GPS-unabhängig funktionieren und damit das autonome Fahren sicherer machen. Das im Oktober 2018 gestartete Projekt mit einer Laufzeit von drei Jahren und einer Fördersumme von fast 10 Mio. Euro ist Teil der von der Europäischen Kommission geförderten Gesamtinitiative »Quantum Flagship«. Die Koordination übernimmt die französische Thales-Gruppe.
Quantenmechanik beobachten, begreifen und kontrollieren
Die Quantenmechanik verspricht, Materie auf der Skala eines einzelnen Quantenobjektes, wie etwa eines Elektrons, Atoms oder Moleküls, zu verstehen. Obwohl Quanteneffekte bereits seit einem Jahrhundert bekannt sind, geben sie in vielen Bereichen noch Rätsel auf. Insbesondere die Nutzung von einzelnen Elektronen- und Kernspins sowie deren Verschränkung steht im Mittelpunkt der quantentechnologischen Entwicklungen in den kommenden Jahren. »Die genaue Messung kleinster Spin-Effekte in Atomen und Molekülen bildet die Basis der Quantentechnologie der zweiten Generation. Damit wird es möglich, Quanteneffekte zur Entwicklung nanoskopischer Sensoren, mit um Größenordnungen verbesserter Empfindlichkeiten, zu nutzen«, erklärt Dr. Christoph Nebel vom Fraunhofer IAF. AsteriQs ebnet den Weg für diese Technologie u.a. in den Bereichen der Datenverarbeitung, Kommunikation, Sensorik und Biomedizin, die im Hinblick auf Sicherheit, Effizienz, Schnelligkeit und Präzision alles bisher Bekannte in den Schatten stellen wird.
Magnetometrie mit Diamant
Das Akronym AsteriQs steht für »Advancing Science and Technology Through Diamond Quantum Sensing« und konkretisiert, auf welcher Materialgrundlage die Quantensensorik entstehen soll: Ultrareiner Diamant mit Stickstoff-Vakanz-Zentren (NV-Zentren) ermöglicht es, kleinste magnetische-, elektrische-, Druck- und Temperatur-Felder mit nanometergenauer Ortsauflösung zu detektieren. Im Diamantlabor des IAF werden ultrareine Diamantschichten hergestellt, mit den magnetischen NV-Zentren dotiert und durch clevere Technologie in kleinste Diamant-Spitzen oder in photonische Strukturen integriert. Die Spin-Effekte werden im Diamant durch optimierte isotopische Mischungen der 12C und 13C Kohlenstoffatome verfeinert. Um das zur Beobachtung notwenige Licht in die Diamanten ein- und auszukoppeln, werden Wellenleiterstrukturen in die Diamantschichten durch trockenchemische Ätz-Verfahren eingebracht. Die so gefertigten photonischen Strukturen werden mittels atomarer Kräfte (Van-de Waals Kräfte) auf Silizium- oder Quarzschichten befestigt und in Bauteilen integriert.
Quantum Flagship Initiative
Damit Europa seine Spitzenposition in der Forschung und beim Wissenstransfer der Quantenphysik in den Markt festigen kann, startete die Europäische Kommission 2018 ihr bislang größtes Forschungsprogramm: das Quantum Flagship. Mit einem Budget von einer Milliarde Euro und einer Laufzeit von zehn Jahren fördert die Initiative die Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen, Wissenschaft, Industrie und politischen Entscheidungsträgern. Aus 140 eingereichten Projektanträgen wurden 20 Projekte ausgewählt. Das Fraunhofer IAF ist mit gleich zwei Projekten vertreten. In beiden Projekten (AsteriQs und MetaboliQs) bringt das Freiburger Fraunhofer-Institut seine Expertise im Bereich Wachstum, Dotierung und Technologie von einkristallinem Diamant ein. In dem Projekt MetaboliQs geht es um die Hyperpolarisation von Biomarker-Molekülen für MRT-Anwendungen (siehe www.metaboliqs.eu). Dabei wirkt das Fraunhofer IAF auch als Projektkoordinator und nutzt so die hochentwickelten Methoden der Fraunhofer-Gesellschaft zur Organisation und Leitung komplizierter interdisziplinärer Projekte.