Im Gespräch zur Quantentechnologie

Im Interview sprechen Prof. Dr. Dr. Oliver Ambacher, Institutsleiter des Fraunhofer IAF, und Geschäftsfeldleiter Dr. Ralf Ostendorf über die Forschung und Entwicklung im Bereich der Quantentechnologien am Fraunhofer IAF.

Was ist die Vision und die Mission des Fraunhofer IAF in der Quantentechnologie?

Ambacher — Quantentechnologien sind ein wichtiges Zukunftsfeld mit großen Entwicklungschancen in vielen Märkten. Als solches hat sie die Fraunhofer-Gesellschaft als Strategisches Forschungsfeld identifiziert, mit der Vision, neuartige und leistungsfähige Quantensysteme der zweiten Generation zu entwickeln und den Transfer von Wissen, die Sicherung von Schutzrechten sowie die Verwertung von Forschungsergebnissen in diesem Bereich zu fördern.

Ostendorf — Unsere Aufgabe als Fraunhofer-Institut ist es dabei, das große Potenzial der Quantentechnologie nutzbar zu machen und in innovative, industrietaugliche Verfahren und Anwendungen in der Quantensensorik und im Quantencomputing umzusetzen. Wir verfügen dazu bereits über eine exzellente Forschungsinfrastruktur und Expertise, die wir noch gezielt ausbauen werden, um diese Herausforderungen anzugehen. Wichtig wird auch sein, die Chancen der Quantentechnologie Industriepartnern und der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Mit dem Applikationslabor Quantensensorik und dem Kompetenzzentrum Quantencomputing Baden-Württemberg haben wir hier schon gute Voraussetzungen geschaffen und können in diesem Bereich noch einmal intensive Entwicklungen vorantreiben.

© Fraunhofer IAF
Prof. Dr. Dr. Oliver Ambacher, Institutsleiter des Fraunhofer IAF
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Dr. Ralf Ostendorf, Geschäftsfeldleiter Halbleiterlaser u. stellv. Geschäftsfeldleiter Quantensysteme

Was sind die besonderen Kompetenzen des Fraunhofer IAF?

Ostendorf — Quantentechnologie ist im Grunde genommen nichts Neues für das IAF. Jeder Transistor, jeder Diodenlaser ist ein Bauelement, das auf Quanteneffekten beruht und damit letzten Endes Quantentechnologie. Unsere langjährigen Erfahrungen in den Bereichen Opto- und Mikroelektronik sowie der Materialentwicklung speziell im Diamantwachstum sind eine entscheidende Grundlage für die Entwicklung von Quantentechnologien im Sinne der zweiten Quantenrevolution. Auch dank unserer ausgezeichneten Infrastruktur in den Laboren und dem Reinraum sind wir in der Lage, Quantenzustände wie z. B. Farbzentren in Diamant definiert zu präparieren und zu adressieren, was eine Grundvoraussetzung sowohl für die Sensorik als auch das Quantencomputing ist.

Ambacher — Aber es ist wichtig, hier nicht nur von unseren Kompetenzen zu sprechen. Es ist die starke Forschungslandschaft in Deutschland mit einem reichen Ökosystem an Forschergruppen, Start-ups, KMUs und großen Unternehmen mit weitreichenden Fähigkeiten, mit der wir gemeinsam das Forschungsfeld ausbauen können. Klar ist: Nur mit einer gemeinsamen Initiative, in der wir unsere Kompetenzen bündeln, lassen sich erfolgreich europäische Quantensysteme entwickeln.

Was wurde am Fraunhofer IAF bereits erreicht?

Ambacher — Ein großer Erfolg im Jahr 2020 war es, gemeinsam mit IBM und dem Fraunhofer IAO das Kompetenzzentrum Quantencomputing Baden-Württemberg ins Leben zu rufen. Damit haben wir einen wichtigen Grundstein für die Aus- und Weiterbildung im Bereich der Quantentechnologien in Deutschland gelegt. So können wir die nötigen Fachkräfte für kommende Anwendungen des Quantencomputings bei uns ausbilden. Durch den Standort des Quantencomputers in Ehningen ist garantiert, dass alle Daten, die auf dieser Plattform bearbeitet werden, nach deutschem Recht behandelt werden. Das ist ein entscheidender Schritt in Richtung einer unabhängigen Quantenforschung in Deutschland.

Ostendorf — Wir sind bereits in zahlreichen Forschungsprojekten zur Quantensensorik aktiv, wobei der Schwerpunkt unserer Aktivitäten auf der Verwendung von Diamant mit Stickstoff-Vakanz-Zentren für die Quantenmagnetometrie liegt. Von den Erkenntnissen, die wir hier in der Materialentwicklung und der optischen Adressierung der Vakanz-Zentren machen, werden auch die geplanten Arbeiten zur Hardware des Quantencomputings profitieren. Um die unterschiedlichen Projektaktivitäten zu bündeln und die Synergien am IAF zu nutzen, haben wir 2020 das Geschäftsfeld »Quantensysteme« gegründet, das beide Themenbereiche vereint und darüber hinaus als Schnittstelle zur Industrie dient.

© Fraunhofer IAF
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Und wo gibt es noch Möglichkeiten zur Entwicklung?

Ambacher — Wir befinden uns ja schon mitten in der zweiten Generation der Quantentechnologien und stellen uns jetzt Forschungsfragen wie: Wo ist noch Raum für weitere Verbesserungen? Was braucht die Industrie? Welche weiteren Anwendungen können wir erschließen? Eine große Schwachstelle der heute gängigen Quantensysteme ist deren Störungsanfälligkeit, die u. a. eine Kühlung auf extrem niedrige Temperaturen erfordert. Wir arbeiten intensiv daran, Quantensensoren und Quantencomputing auch bei Raumtemperatur einsetzen zu können. Das würde die Anwendungsfelder verbreitern und die Integration in Industrieprozesse erleichtern.

Ostendorf — Ganz konkret forschen wir im Bereich der Quantensensorik zurzeit daran, die Empfindlichkeit von Diamant-basierten Magnetmesssystemen zu steigern, indem der Diamant als laseraktives Medium in einer Kavität verwendet wird. Die Ergebnisse, die dieses Jahr im Labor am Fraunhofer IAF erzielt wurden, sind sehr vielversprechend und könnten schon bald in kompakten Magnetometern Hirnstrommessungen verbessern. Darüber hinaus haben wir dieses Jahr zwei Rastersondensysteme beschafft, in denen wir mittels Stickstoff-Vakanz-Zentren in Diamantspitzen Strom- und Magnetfeldverteilungen auf einer Nanometerskala vermessen und abbilden werden. Es gibt also noch viel zu erforschen und zu entwickeln!

Weitere Informationen

Quantencomputing am Fraunhofer IAF

 

Eine Übersicht über die Forschungsarbeiten des Fraunhofer IAF im Bereich des Quantencomputings erhalten Sie hier.

Quantensensorik am Fraunhofer IAF

Wir erforschen Diamant für die Quantensensorik.

Kompetenzzentrum Quantencomputing

Wir koordinieren mit dem Fraunhofer IAO das Kompetenzzentrum »Quantencomputing Baden-Württemberg«.