Im Gespräch mit dem neuen geschäftsführenden Institutsleiter Prof. Dr. Rüdiger Quay

Im Januar 2022 übernahm Prof. Dr. Rüdiger Quay kommissarisch die geschäftsführende Institutsleitung des Fraunhofer IAF. Im Interview blickt er in die Zukunft, auf das Thema Nachhaltigkeit und eine unabhängige europäische Halbleiterfertigung.

Was sind Ihre Pläne als kommissarischer Institutsleiter des Fraunhofer IAF?

Quay — Mir ist es wichtig, das Institut moderner zu gestalten – sowohl die Themen als auch die Strukturen. Quantentechnologien sind ein wichtiges Zukunftsthema, bei dem wir eine führende Rolle einnehmen wollen, wobei das nicht im Widerspruch steht zu den vielen Chancen im Bereich der eher klassischen IAF-Themen. Was die Organisationsstrukturen betrifft, ist es mir wichtig, dass wir uns weiter öffnen und neue Arbeitsprozesse erlernen. Beispielsweise sind wir gerade dabei, auch Software zu schreiben. Das ist sehr spannend. Ein anderer neuer Bereich ist die Simulation: Wenn wir neue Konzepte mit neuen Verfahren zuerst am Computer simulieren, bietet uns das viel mehr Flexibilität für unsere Forschung.

Der Kern unseres Instituts ist und bleibt der Reinraum. Da wollen wir starke Partnerschaften in der Fraunhofer-Gesellschaft eingehen, die es erlauben, auch größere Projekte zu bedienen. Und mir persönlich ist es sehr wichtig, dass unsere Mitarbeitenden gerne hier sind und Spaß an der Forschung haben.

Porträtaufnahme Prof. Dr. Rüdiger Quay
© Fraunhofer IAF
Prof. Dr. Rüdiger Quay ist Professor für energieeffiziente Hochfrequenzelektronik und hat seit dem 1. Januar 2022 kommissarisch die geschäftsführende Institutsleitung des Fraunhofer IAF inne.

Warum ist das Thema »energieeffiziente Elektronik« so wichtig?

Quay — Jede Elektronik könnte energieeffizient sein. Von Smartphones und Autos bis hin zu Satellitensystemen – alle Geräte sind darauf angewiesen, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, weil Energie immer knapp ist. Außerdem ist Elektronik die Grundlage der Digitalisierung und ich kann mir die Welt von morgen nicht ohne Digitalisierung vorstellen. Während die Anforderungen an die Digitalisierung steigen, ist es extrem wichtig, dass die Elektronik parallel dazu effizienter wird. Das ist ja auch das Bedürfnis unserer Gesellschaft und vor allem der jüngeren Generation: klimaneutral zu leben. Und das ist tatsächlich eine der größten Herausforderungen dieses Jahrhunderts als Folge des Anwachsens der Weltbevölkerung.

Wie können wir klimaneutral leben?

Quay — Eigentlich könnten wir unseren ökologischen Fußabdruck ganz einfach verkleinern, indem wir bei gegebener Technologie weniger konsumieren. Doch das entspricht nicht unserer Entwicklung als Menschen: In der westlichen Welt wollen wir modern leben und konsumieren. Gleichzeitig ist steigender Konsum nicht mehr damit vereinbar, was wir unserem Planeten zumuten können. Es muss ein Kompromiss gefunden werden und da ist die energieeffiziente Elektronik eine große Stellschraube, weil digitale Verfahren grundsätzlich das Potenzial haben, Energieprobleme in vielen Bereichen zu minimieren. 

Welchen Beitrag leistet das Fraunhofer IAF?

Quay — Das IAF kann auf sehr vielen Ebenen helfen. Zum einen entwickeln wir elektronische Komponenten, die den Energieverbrauch senken. Zum anderen geht es um nachhaltige Produktionsprozesse. Die Halbleiterherstellung war immer ein Energiefresser und bei uns im Reinraum kann man viel über eine nachhaltigere Produktion lernen. Änderungen lassen sich bei uns viel besser ausprobieren als in einem laufenden Industriebetrieb. Darüber hinaus ist es wichtig, neu zu denken und grundlegend neue Konzepte zu entwickeln. Es muss nicht mit jedem zusätzlichen Bit an Rechenleistung auch der Energieverbrauch steigen. Der Quantencomputer zeigt uns, dass es auch anders geht.

Wie schafft man es denn, in der Forschung »neu zu denken«?

Quay — Die wichtigste Voraussetzung ist die Fantasie. Bei uns sind Materialien wichtig. Uns steht das ganze Periodensystem zur Verfügung und ich bin äußerst optimistisch, dass da noch sehr viele Möglichkeiten drinstecken, um die Energieeffizienz zu verbessern. Im nächsten Schritt muss man Bestehendes hinterfragen. Es steht in keinem Naturgesetz, dass man bei der Datenübertragung bei hohen Frequenzen über 95 Prozent der Energie wegwerfen muss. Das liegt daran, dass wir derzeit noch nicht so weit sind. Hinzu kommt die Bereitschaft, Dinge auch umzusetzen und sich zu verändern. Vor zehn Jahren hätte niemand geglaubt, dass das IAF Software entwickeln kann. Jetzt machen wir es und es klappt!

Die Fraunhofer-Gesellschaft hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 selbst klimaneutral zu forschen. Wie kann das am Fraunhofer IAF gelingen?

Quay — Wir werden unseren Reinraum grundsätzlich umstellen – von der Energiebeschaffung bis zu dem Verbrauch – und die Abläufe der Anlagen so gestalten, dass möglichst wenig Energie verschwendet wird. Langfristig werden wir im Reinraum prüfen, ob man ressourcenintensive Prozesse einsparen kann. Allerdings müssen wir abwägen, was im Betrieb möglich ist, da die Reinheitsanforderungen an die Herstellung hochwertiger Komponenten stetig steigen.

Wie kann man einem zukünftigen Chipmangel entgegenwirken?

Quay — Das IAF hat seit langem eine eigenständige Fertigung und liefert bestimmte Halbleiter in attraktiven Stückzahlen. Das wird auch so bleiben und weiter ausgebaut. Auf Dauer müssen wir in Europa lernen, in der weltweiten Wertschöpfungskette dauerhaft weniger anfällig zu bleiben. Das haben mittlerweile viele erkannt und deshalb ist der European Chips Act auch so relevant. Und es wird wichtig sein, die Unabhängigkeit zu bewahren, wenn es im Schweinezyklus wieder ausreichend Chips gibt.

Das Fraunhofer IAF hat ein sehr breites Forschungsspektrum – was ist der gemeinsame Nenner der unterschiedlichen Bereiche?

Quay —Das IAF steht auf vielen Füßen und das ist schon immer klug gewesen. Die Herausforderung besteht darin, auf diesen vielen Gebieten sehr gut zu sein. Wir haben inzwischen rund 300 Mitarbeitende, die ein gemeinsames Verständnis davon haben wollen, wo sie hinmöchten. Deshalb müssen wir manchmal steuern. Als Institutsleiter sehe ich mich dafür zuständig, dass die Menschen hier Freude an der Forschung haben, und wir Forschung auf höchstem Niveau betreiben können. Das ist der gemeinsame Nenner am Ende des Tages – zufriedene Mitarbeitende, die gemeinsam im sehr dynamischen Fraunhofer-Modell Spitzenforschung betreiben.

Was ist Ihre Zukunftsvision von unserer Gesellschaft?

Quay — Ich glaube an eine Gesellschaft, die weiterhin in Verbindung bleiben will, die die Klimaziele ernst nimmt und die frei und demokratisch lebt. Wir werden weiterhin andere Menschen persönlich treffen wollen. Wenn ich in Zukunft nicht mehr fliegen darf, wird die Verständigung und der kulturelle Austausch nicht funktionieren. Meine Vision ist, dass die Kommunikationstechnologie so weit ist, dass uns möglichst viele lästige Reisen erspart werden und dass man mit gutem Gewissen reisen kann, wenn man es trotzdem möchte. Wir müssen daran arbeiten, dass Dinge, die unvereinbar erscheinen, vereinbarer werden. Die Beiträge, die die Wissenschaft liefert, sind in erster Linie technisch, aber gesellschaftlich hoch relevant. Jetzt ist eine herausfordernde Zeit, in der viele Dinge ihren Ursprung nehmen können und auf die ich zuversichtlich blicke. Später wird man darauf zurückschauen und sagen, da wurde vieles angestoßen!

 

Jahresbericht 2021/2022

»Inventing a Green Future«

Energieeffiziente Mikro- und Nanoelektronik für eine klimaneutrale, sichere und unabhängige Zukunft.

Elektronik basierend auf III/V-Halbleitern

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