Warum ist eine unabhängige europäische Elektronik wichtig?
Freese — Für uns ist die langfristige Verfügbarkeit von elektronischen Bauteilen wichtig, um die Entwicklungskosten zu reduzieren. Auf schlechte Bauteilverfügbarkeit folgen Designanpassungen, ungeplante Kosten oder gar Lieferverzüge. Ein weiterer Punkt ist der Export: Mit unseren Produkten beliefern wir Kunden auf der ganzen Welt. Hier spielt natürlich die Exportklassifizierung der Bauteile eine wesentliche Rolle. Bei Bauteilen aus den USA kann es sein, dass während der Entwicklung oder Produktion die Klassifizierung geändert wird, was zu einer Nachentwicklung mit erheblichen Kosten führt. Daher bedienen wir unsere Kunden bevorzugt mit europäischen Komponenten.
Wie könnte der Weg zu einer unabhängigen europäischen Halbleiterproduktion aussehen?
Friesicke — Das ist eine Entwicklung, die nicht Jahre, sondern Jahrzehnte dauert und sehr viele Technologien betrifft. Wir sehen, dass es auf dem Foundry-Markt, insbesondere bei den Silizium-Massenmärkten, eine ökonomische Konzentration gibt. Die Technologie wird immer teurer, weil die Strukturen innerhalb der Bauteile immer kleiner werden. Und am Ende können sich das nur noch ein paar Unternehmen leisten, solche Prozesse herzustellen. Wenn diese Konzentration so weitergeht und es irgendwann nur noch einen Hersteller weltweit gibt, dann ist man abhängig und das wird teuer. Unsere Technologien sind noch nicht an ihrem ökonomischen Limit angekommen und wir können dabei unterstützen, eine europäische Lieferkette zu etablieren. Dann muss es aber auch eine Design-Strategie geben von Gremien wie der ESA, der EU oder der European Defence Agency.
Freese — Absolut! Man darf sich nicht der Illusion hingeben: »Die Märkte regeln das«, denn die Märkte machen genau das, was du eben beschrieben hast. Es wird weiter optimiert, immer weiter regional fokussiert und dann verschwindet die Technologie aus anderen Regionen. Das wird sehr effizient, aber leider auch sehr instabil. Eine Unabhängigkeit kostet eben etwas und ich glaube, andere Nationen in Europa sind bereit, das Geld zu investieren. In Deutschland ist man teilweise noch nicht so weit. Souveränität ist strategisch und Entscheidungen können daher nicht ausschließlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten getroffen werden. Zudem haben wir die Fähigkeiten und Technologien, um in den Märkten mitzuspielen. Für eine unabhängige Herstellung braucht es außerdem eine kontinuierlich laufende Serienproduktion, um reproduzierbar gute Technologien und Spitzenergebnisse zu erzielen.
Was sind die größten Energiefresser bei der Satellitentechnik?
Freese — Eine hohe Energieeffizienz im Satelliten ist das zentrale Thema. Die Energie muss aufwendig mit Solargeneratoren erzeugt werden und die Abwärme kann durch die fehlende Atmosphäre nicht einfach abgeführt werden. Sendeverstärker sind die größten Power Consumer und bei den flexiblen Satellitennutzlasten verbraucht auch die Digitalelektronik viel Energie. Der Trend zu schnelleren Datenverbindungen und höheren Datenraten ist natürlich prinzipbedingt mit einem höheren Energieverbrauch verbunden.
Friesicke — Es gibt Bodenstationen, bei denen Dauerbetrieb mit Sendeleistung bis in den Kilowattbereich herrscht. Mit effizienten Verstärkern könnte man da viel einsparen. Hier stehen Halbleiter in Konkurrenz zur Wanderfeldröhre. Die Röhre ist schon sehr effizient, aber die Tatsache, dass Halbleiterverstärker viel leichter auszutauschen sind, wenn einer ausfällt, ist in Bezug auf Nachhaltigkeit von Vorteil.
Freese — Ja, genau. Energie ist immer noch verhältnismäßig billig und wir spüren kaum, dass sie limitiert ist. Das wird sich in Zukunft sicher ändern. Wir bei TESAT lassen nicht das Billigste, sondern das Effizienteste fliegen, weil es dann über die gesamte Mission doch das günstigste Produkt ist. Noch ist es tatsächlich so, dass die Wanderfeldröhre bei hohen Frequenzen und Leistungen dem Halbleiterverstärker überlegen ist. Diese Gewichtung verschiebt sich gerade und durch die Umbrüche im Markt werden andere Sichtweisen entwickelt. Ob das dann die nachhaltigeren Optionen sind, wird sich zeigen.
Worin liegt die Schwierigkeit, ein Bauteil für das Weltall zu entwickeln?
Friesicke — Für uns am Fraunhofer IAF sind Performance und Lebensdauer die wichtigsten Kriterien. Wenn wir die Performance hinkriegen, arbeiten wir daran, die Lebensdauer und die Zuverlässigkeit zu verbessern, ohne dass die Leistungsfähigkeit darunter leidet. Unsere Aufgabe ist die Entwicklung und wir brauchen immer Partner, die – sobald unsere Technologie einen Reifegrad erreicht hat – den Stab übernehmen und die Staffel weiter in Richtung Ziel laufen.
Freese — Im Weltall kann man ja leider nicht schnell etwas reparieren oder austauschen, deshalb sind die Punkte Zuverlässigkeit und Lebensdauer so entscheidend. Und gute Erfahrungen mit bekannten Bauteilen und Geräten spielen für uns eine große Rolle: Viele Kunden wollen ihre Mission erweitern und brauchen dafür genau das Gleiche, was sie bereits vor Jahren gekauft haben. Damit verbinden sie das minimale Risiko und in der Folge vereinfacht dies beispielsweise auch die Versicherung einer Mission.
Würden Sie selbst gerne ins All fliegen?
Freese — Es ist toll, wenn Menschen im All sind, um zu arbeiten, zu forschen und Neues zu erfahren. Ein einfacher Ausflug ins Weltall steht für mich dagegen kaum im richtigen Verhältnis zu den benötigten Ressourcen. Ich bin nach wie vor von der Raumfahrt fasziniert, bleibe mit meiner Arbeit jedoch lieber in meinem Büro im »Ländle« – da kann ich mehr bewirken.
Friesicke — Ein Parabelflug könnte ganz spannend sein, aber so einen richtigen Flug ins All mit der Vorbereitung und den Strapazen und den G-Tests – das würde ich nicht durchhalten. Das überlasse ich lieber den Astronauten.