»Die perfekte Diamantkugel erfordert viel Know-how und ein aufwendiges Verfahren«

Dr. Christoph Wild und Tobias Fehrenbach von Diamond Materials im Interview

Dr. Christoph Wild und Tobias Fehrenbach von Diamond Materials stellten die perfekte Diamantkugel für das erfolgreiche Experiment zur Kernfusion am Lawrence Livermore National Laboratory her. Im Interview sprechen sie über ihre Anfänge in der Diamantforschung, über die Herausforderungen bei der Herstellung der Diamantkugeln und über ihre Zusammenarbeit mit dem LLNL.

Wie ist Ihre Begeisterung für Diamant entstanden?

Wild — Während meiner Diplomarbeit am Fraunhofer IAF hatte ich mich bereits mit amorphen diamantartigen Kohlenstoffschichten beschäftigt. Gleichzeitig erschienen erste Berichte über die Abscheidung von kristallinen Diamantschichten. Das fanden wir sehr spannend und haben angefangen, erste Experimente durchzuführen. Ich erinnere mich noch, wie wir die ersten Diamantschichten im Mikroskop gesehen haben und die Kollegen es nicht glauben konnten, als ich ihnen sagte: »Das sind Diamantkristalle.« In den 90er Jahren herrschte weltweit ein richtiger Diamanthype. Man kannte die außergewöhnlichen Eigenschaften von Diamant und durch die Abscheidung von Diamant in Schichtform auf Scheiben war klar, dass sich viele neue Anwendungen ergeben werden.

Fehrenbach — Als ich zum Diamant kam, war die Forschung bereits etabliert. Ich habe Geowissenschaften studiert und mich auf Kristallographie spezialisiert. Dass mit einem Werkstoff, der seinen Ursprung in der Natur hat, solche technischen Anwendungen möglich sind, finde ich sehr spannend. Nachdem ich mich am Fraunhofer ISE bereits viel mit Silizium beschäftigt habe, hat mich die Arbeit mit Diamant sehr gereizt. Da steckt noch viel Forschungspotenzial drin. 

Portrait Dr. Christoph Wild und Tobias Fehrenbach
© Fraunhofer IAF
Dr. Christoph Wild und Tobias Fehrenbach von Diamond Materials stellten die perfekte Diamantkugel für das erfolgreiche Experiment zur Kernfusion am Lawrence Livermore National Laboratory her.

Herr Wild, mit welcher Vision haben Sie Diamond Materials gegründet?

Wild — Am Fraunhofer IAF hatten wir intensiv an der Weiterentwicklung der Diamanttechnologie gearbeitet, erfolgreich neue Reaktorkonzepte, wie den Ellipsoidreaktor, realisiert und verschiedene Bearbeitungsverfahren entwickelt. So konnte wir zu Beginn der 2000er Jahre erste Diamantprodukte verkaufen. Diamond Materials haben wir gegründet, um Diamantprodukte zu fertigen, zu vermarkten und damit Kundennachfragen langfristig zu bedienen. Als Wissenschaftler birgt es natürlich einen besonderen Reiz, die Ergebnisse der eigenen Forschung in die Praxis umzusetzen. Dieses Jahr feiern wir unser 20-jähriges Jubiläum! 

War Ihnen am Anfang bewusst, dass Diamant eine Rolle bei der Erforschung der Kernfusion spielen könnte?

Wild — Nein, gar nicht. Aber inzwischen haben wir sogar zwei Berührungspunkte mit der Kernfusion: Zum einen natürlich durch die Diamantkugeln als Targets bei der Trägkeitsfusion und zum anderen fertigen wir Diamantfenster zur Einkopplung der Mikrowelle in den Plasmareaktor beim ITER-Projekt in Südfrankreich, das an dem Konzept des magnetisch eingeschlossenen Fusionsplasmas arbeitet.

Diamantkugeln Fehrenbach Wild
© Fraunhofer IAF
Die perfekte Diamantkugel erfordert viel Know-how und ein aufwendiges Verfahren.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Lawrence Livermore National Laboratory?

Wild — 1994 hatte ich Jürgen Biener auf einer Diamantkonferenz in Japan kennengelernt. Er ging dann ans LLNL und rief mich etwa zehn Jahre später an, um zu fragen, ob wir Hohlkugeln aus Diamant fertigen könnten. Am LLNL war man zu dieser Zeit auf der Suche nach einem idealen Targetmaterial für die Durchführung von Kernfusionsexperimenten. Das Material sollte eine möglichst kleine Ordnungszahl und eine hohe Dichte aufweisen. Damals hatte man hauptsächlich mit Beryllium und Plastik gearbeitet; die Diamantkugeln waren eher eine Backup-Option. Doch es stellte sich heraus, dass sich mit Diamant deutlich bessere Ergebnisse erzielen lassen. So haben wir sehr schnell die Grundlagen für die Fertigung entwickelt und bereits 2006 den Fraunhofer-Preis für diese Arbeiten erhalten.

 

Warum eignet sich ausgerechnet Diamant für dieses Kernfusionsexperiment?

Fehrenbach — Bei dem Experiment wird das Laserlicht in Röntgenstrahlung umgewandelt, welche zur Implosion der Kugel führt. Deshalb braucht es ein Material mit niedriger Ordnungszahl, das eine hohe Dichte hat und gleichzeitig transparent für die Strahlung ist. Außerdem hat Diamant den Vorteil, dass man Fremdatome einbauen kann. Die inneren Schichten der Diamantkugeln sind mit Wolfram dotiert – so lässt sich die Röntgenabsorption quasi gezielt einstellen.

Diamantwafer werden Schicht für Schicht übereinander gewachsen, aber wie werden Hohlkugeln hergestellt?

Wild — Für die Herstellung von Diamanthohlkugeln werden Siliziumkugeln mit mehreren Diamantlagen beschichtet. Die einzelnen Schichten unterscheiden sich beispielsweise durch ihre Dotierung. Zum Schluss wird ein nur wenige Mikrometer kleines Loch in die Beschichtung gelasert und der Siliziumkern herausgeätzt. Die Targets für die Experimente bei dem LLNL müssen perfekte Diamanthohlkugeln sein, das ist natürlich eine Herausforderung. 

Und wie erreicht man die perfekte Diamanthohlkugel?

Fehrenbach — Das Wichtigste ist eine exakt homogene Schichtdickenverteilung. Da die Schichten von oben abgeschieden werden, müssen die Kugeln im Reaktor stark bewegt werden. Aber alles, was rollt, kann kleine Defekte abkriegen und jede noch so kleine Unregelmäßigkeit hat eine Auswirkung auf die Kugelform und damit auf das gesamte Experiment. Deshalb haben wir viel Know-how gesammelt und aufwendige Verfahren entwickelt, um Diamantkugeln mit möglichst homogenen Schichten herzustellen. Von den Partnern vom LLNL bekommen wir ganz konkrete Vorgaben zu jeder Schicht. Zu 90% kommt man recht zügig, aber das letzte Bisschen bis zur Perfektion macht noch viel Arbeit aus.

Wie haben Sie den Erfolg des Fusionsexperiments wahrgenommen?

Wild — Wir waren natürlich recht euphorisch. Ein paar Monate vorher hatte sich der Durchbruch schon angedeutet, aber das ist eine enorme Leistung: Die Wissenschaftler beim LLNL haben 30 Jahre an der erfolgreichen Demonstration gearbeitet und ihr Ziel im Dezember 2022 endlich erreicht. Und für das Experiment war die Diamantkugel als Target ein entscheidender Faktor. Für die praktische Energieerzeugung ist dieser Aufwand nicht wirtschaftlich, dennoch tragen diese Experimente dazu bei, Erkenntnisse zu gewinnen und Ideen zu generieren, die die Grundlagen für die zukünftige Kernfusionstechnologie bilden werden.

Diamant als Basis für die Kernfusion, für Quantentechnologien – in welchen Bereichen wird Diamant auch nicht mehr wegzudenken sein?

Wild — Diamant wird überall da eingesetzt, wo seine herausragenden Eigenschaften genutzt werden können – etwa, wenn es um hohe Leistung geht, wo andere Materialien schmelzen würden oder wo man seine extreme Härte braucht. Oft sind es sehr spezielle Anwendungen, bei denen der Nutzen die Kosten überwiegt, und ständig kommen neue, auch teils überraschende Anwendungen hinzu, zum Beispiel in der Medizin. Derzeit arbeiten wir mit dem Fraunhofer IAF im Projekt »GrodiaQ« zusammen an der Entwicklung von Diamantsubstraten für quantentechnologische Anwendungen und profitieren auf beiden Seiten sehr von dem Austausch.

 

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