Warum eignet sich ausgerechnet Diamant für dieses Kernfusionsexperiment?
Fehrenbach — Bei dem Experiment wird das Laserlicht in Röntgenstrahlung umgewandelt, welche zur Implosion der Kugel führt. Deshalb braucht es ein Material mit niedriger Ordnungszahl, das eine hohe Dichte hat und gleichzeitig transparent für die Strahlung ist. Außerdem hat Diamant den Vorteil, dass man Fremdatome einbauen kann. Die inneren Schichten der Diamantkugeln sind mit Wolfram dotiert – so lässt sich die Röntgenabsorption quasi gezielt einstellen.
Diamantwafer werden Schicht für Schicht übereinander gewachsen, aber wie werden Hohlkugeln hergestellt?
Wild — Für die Herstellung von Diamanthohlkugeln werden Siliziumkugeln mit mehreren Diamantlagen beschichtet. Die einzelnen Schichten unterscheiden sich beispielsweise durch ihre Dotierung. Zum Schluss wird ein nur wenige Mikrometer kleines Loch in die Beschichtung gelasert und der Siliziumkern herausgeätzt. Die Targets für die Experimente bei dem LLNL müssen perfekte Diamanthohlkugeln sein, das ist natürlich eine Herausforderung.
Und wie erreicht man die perfekte Diamanthohlkugel?
Fehrenbach — Das Wichtigste ist eine exakt homogene Schichtdickenverteilung. Da die Schichten von oben abgeschieden werden, müssen die Kugeln im Reaktor stark bewegt werden. Aber alles, was rollt, kann kleine Defekte abkriegen und jede noch so kleine Unregelmäßigkeit hat eine Auswirkung auf die Kugelform und damit auf das gesamte Experiment. Deshalb haben wir viel Know-how gesammelt und aufwendige Verfahren entwickelt, um Diamantkugeln mit möglichst homogenen Schichten herzustellen. Von den Partnern vom LLNL bekommen wir ganz konkrete Vorgaben zu jeder Schicht. Zu 90% kommt man recht zügig, aber das letzte Bisschen bis zur Perfektion macht noch viel Arbeit aus.
Wie haben Sie den Erfolg des Fusionsexperiments wahrgenommen?
Wild — Wir waren natürlich recht euphorisch. Ein paar Monate vorher hatte sich der Durchbruch schon angedeutet, aber das ist eine enorme Leistung: Die Wissenschaftler beim LLNL haben 30 Jahre an der erfolgreichen Demonstration gearbeitet und ihr Ziel im Dezember 2022 endlich erreicht. Und für das Experiment war die Diamantkugel als Target ein entscheidender Faktor. Für die praktische Energieerzeugung ist dieser Aufwand nicht wirtschaftlich, dennoch tragen diese Experimente dazu bei, Erkenntnisse zu gewinnen und Ideen zu generieren, die die Grundlagen für die zukünftige Kernfusionstechnologie bilden werden.
Diamant als Basis für die Kernfusion, für Quantentechnologien – in welchen Bereichen wird Diamant auch nicht mehr wegzudenken sein?
Wild — Diamant wird überall da eingesetzt, wo seine herausragenden Eigenschaften genutzt werden können – etwa, wenn es um hohe Leistung geht, wo andere Materialien schmelzen würden oder wo man seine extreme Härte braucht. Oft sind es sehr spezielle Anwendungen, bei denen der Nutzen die Kosten überwiegt, und ständig kommen neue, auch teils überraschende Anwendungen hinzu, zum Beispiel in der Medizin. Derzeit arbeiten wir mit dem Fraunhofer IAF im Projekt »GrodiaQ« zusammen an der Entwicklung von Diamantsubstraten für quantentechnologische Anwendungen und profitieren auf beiden Seiten sehr von dem Austausch.