»Forschungsmanager« - das klingt vielversprechend. Was steckt dahinter?
Unter Forschungsmanagement verstehe ich den Rundumblick, der nötig ist, um Forschung erfolgreich zu verwerten. Dabei müssen Wissenschaft, Markt, Partner, Kunden und Rahmenbedingungen im Blick behalten werden. Als »Forschungsmanagerin« verstehe ich mich als Ansprechpartnerin für alle Beteiligten, wenn es darum geht, Technologie und Anwender zusammenzuführen und die Fraunhofer-Forschung nach außen zu tragen.
Nach innen, für die Forscher an unseren Instituten, bilde ich mit meinen Forschungsmanager-Kollegen ein enges Netzwerk. Wir liefern Insider-Wissen über die Prozesse an den verschiedenen Instituten und knüpfen Verbindungen für mögliche gemeinschaftliche Projekte.
Was waren die Inhalte eurer Ausbildung?
Wie schaffe ich ein innovationsaffines Umfeld für den Transfer unserer Ideen in den Markt? Was brauchen unsere Kunden, was bringt die Zukunft? Das waren zum Beispiel Fragen, die uns während des letzten Jahres beschäftigt haben. Ziel der sechs Module unserer Ausbildung war es, Strategien für eine zielführende Verwertung unserer Forschungsergebnisse in anwendungsreife Produkte, sowie für die Akquise neuer Forschungsaufträge und Kooperationen mit Akteuren der Industrie zu entwickeln. Die Inhalte reichten von Einführungen in generelle Konzepte und Strategien des Projektmanagements, Entrepreneurship sowie Markt- und Zukunftsforschung, bis hin zu kundenorientierten Praktiken aus Marketing und Vertrieb.
Worin bestehen die Hürden für gutes Forschungsmanagement – und welche Lösungsansätze gibt es dafür?
Eine Herausforderung des internationalen Forschungsbetriebs ist der Wettbewerb innerhalb der Forschungsgemeinschaft. Natürlich beleben Wettbewerb und Konkurrenz ergiebige Entwicklungsstrukturen – doch letztlich kann man in der Forschung kaum vorhersagen, wer die »bessere« Lösung zur Hand hat. Der Wettbewerb in der Forschung ist so gesehen künstlich geschaffen, um Einrichtungen miteinander zu vergleichen. Als Forschungsmanagerin würde ich da gerne etwas gegensteuern. Ich sehe einen großen Vorteil für erfolgreiche Forschungsarbeit in der Vernetzung der Forscher untereinander – nicht nur innerhalb eines definierten Projektverbundes, sondern auch in Industrieprojekten, für die verschiedene Kompetenzen notwendig sind. So können mehr Projekte gewonnen und durch Aufgabenteilung erfolgreich zum Ziel gebracht werden: beispielsweise verfügt ein Institut über die Expertise der Bauteile und Technologien, ein anderes kann die notwendige Auswertungssoftware liefern – so können in Gemeinschaftsarbeit Komplettlösungen für Industriekunden angeboten werden. Diese Zusammenarbeit braucht aber Vertrauen, und das muss sich erst bilden.
»Open Innovation« bietet hierbei einen interessanten Ansatz: bei diesem Forschungs- und Entwicklungskonzept werden alle Ideen und Entwicklungen offengelegt, sodass jeder dazu beitragen und den aktuellen Entwicklungsstand weiterbringen kann. Dieses Vorgehen begünstigt ein interdisziplinäres Zusammenarbeiten, was ganz neue Perspektiven und innovative Ideen ermöglicht. Wie man das auf den Fraunhofer-Kontext übertragen kann, beschäftigt mich sehr.
Was ist euer Ansatz, um marktfähige Angebote hervorzubringen?
In Anlehnung an den »St. Gallener Business Navigator«, ein an der Universität St. Gallen entwickeltes Konzept, haben wir im Rahmen der Ausbildung 55 unterschiedliche Geschäftsmodelle kennengelernt. Welches Modell zur Entwicklung eines marktfähigen Angebots in Frage kommt, hängt stark von der Technologie, sowie vom Kunden ab – denn das Angebot muss kundenspezifisch angepasst werden. Je nach Kunde, z. B. ein mittelständisches Unternehmen, ein Großkonzern oder ein öffentlicher Auftraggeber, variiert das Angebot in Art und Umfang. In unserer Ausbildung haben wir in Teams aus Natur-, Geistes- und Wirtschaftswissenschaftlern einzelne Fälle aus unseren Instituten bearbeitet und beispielsweise ein Modell nach dem Verfügbarkeits-Garantie-Prinzip entwickelt, welches momentan erfolgreich eingesetzt wird.
Was sind die ersten Schritte für ein verstärktes Forschungsmanagement am Fraunhofer IAF?
In interdisziplinären Workshops will ich gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus allen Abteilungen erarbeiten, welche Technologien reif für den Markt sind – und was benötigt wird, um diese zu nutzbringenden Angeboten für unsere Kunden werden zu lassen. Wir sollten auch in Betracht ziehen, in welchen Gebieten vielleicht noch verborgenes Potenzial liegt. Wir wollen gemeinsam ein strukturiertes Vorgehen erarbeiten, neue Schnittstellen definieren, die nötig sind, um zielführende Kooperationen untereinander und mit Disziplinen anderer Institute hervorzubringen.
Deine wissenschaftliche Karriere begann eigentlich als Doktorandin der englischen Sprachwissenschaften. Wie bist du zur »Forschungsmanagerin« bei Fraunhofer geworden?
Während meines Studiums und meiner Promotion erhielt ich als externe Übersetzerin Einblicke in die Forschungsfelder des Fraunhofer IAF. Schon damals begeisterte mich die Nähe zu alltagsrelevanten Themen und die ständige Entwicklung neuer Technologien für die Zukunft. Zugleich fiel mir immer wieder auf, dass es hierfür neben komplexem technischen Wissen auch viel Verhandlungsgeschick, Kenntnis des Markts und einer wirtschaftlichen Denkweise bedarf, um langfristige und übergreifende Forschungsprojekte zum Ziel zu führen. All diese Elemente sah ich in der Position als Referentin der Institutsleitung vereint, gemeinsam mit der Möglichkeit, einen eigenen Bereich der Koordination und Strategieentwicklung maßgeblich mitzugestalten. Und so wagte ich einfach den »Sprung ins kalte Wasser« – und war damit schon mittendrin in den Aufgaben des Forschungsmanagements.
Unter welchem Motto steht für dich die Arbeit bei Fraunhofer?
»Die Nase vorn haben« – das Spannende an der Arbeit bei Fraunhofer ist für mich, ganz vorne in der Entstehungskette neuer Entwicklungen dabei zu sein. Hier beschäftigen wir uns mit den Bedarfen der Zukunft und erfahren Dinge, die sonst im Alltag verdeckt bleiben und die die Öffentlichkeit erst fünf oder zehn Jahre später erlebt. Mit unserer Arbeit sind wir direkt am Puls der Zeit – und manchmal vielleicht sogar einen Pulsschlag voraus.
Welche drei Worte beschreiben die Essenz guten Forschungsmanagements?
»Gemeinsam mehr bewegen«